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17.06.2021

El Camino - ein mittelfränkischer Jakobsweg

Alle Fotos: Enrique Gulin Conde

Am 28. Mai 2021 machten wir uns als Familie auf unsere erste Etappe in Sachen „Camino de Santiago“ auf den Weg. Zu unserer Familie zählen meine wunderbare Frau Melanie, unsere zwei tollen Mädels Melina (12) und Amélie (9; aktuell steht sie kurz vor der Erstkommunion) und meine Wenigkeit: Enrique, der Papa.

Ich werde im Folgenden aus meiner ganz persönlichen Sicht die Eindrücke des Jakobwegs wiedergeben.

Wir sind um die Mittagszeit losgezogen und nahmen den Bus nach Stein. In Oberweihersbuch startete unser Camino. Den Bildern kann man ungefähr entnehmen, auf was wir so alles gestoßen sind.

Ich möchte hier nun meinen Gedanken etwas Raum bieten. Durch einige Bücher, Filme und Erzählungen war dieses Thema „Camino“ schon immer für die Zukunft angedacht. Dass es nun so schnell geht und wir uns in der ersten Etappe befinden, war ein kleiner Gänsehautmoment.

Viele der Pilger berichten, dass der Weg irgendwas mit einem selbst macht. Ich war mit der Kameraausrüstung bestückt und wollte jedes noch so kleine Detail festhalten. Der gesamte Weg war sehr genau beschrieben (hier ein großes Dankeschön an Irene Keil). Verlaufen war nicht vorgesehen… wir konnten uns auf den Weg und die Eindrücke konzentrieren.

Es kamen mir sehr viele Gedanken über das Leben und das, was danach kommt. Ich fühlte mich irgendwie Gott etwas näher. Mein 2019 verstorbener Vater war in Gedanken mit dabei. Jedes Mal wenn ich auf Tour bin und Landschaftsfotos mache, lasse ich in Gedanken meinen Papa durch die Linse mit gucken - so verbringe ich noch ein wenig Zeit mit ihm - Zeit, die man vielleicht als Kind mit seinem Vater hätte haben wollen, aber durch diverse Umstände nicht haben konnte.

Ja - da ist nun das Thema Zeit und Vergänglichkeit… den Moment leben... leben und leben lassen…

Ich hatte mir als Aufgabe gestellt, heute nicht sämtliche Ameisen, Spinnen und sämtliches Getier zu zertreten, sondern genau auf meinen WEG zu schauen - dafür zu sorgen, dass man nicht egoistisch und Scheuklappen-mäßig durch die Welt stapft.  War gar nicht mal so leicht - aber ich denke, ich habe mein Soll erfüllt und meine mir auferlegte Aufgabe gemeistert.

Man denkt so oft an die Sachen, die Andere haben oder sich leisten können… oder irgendwelche Ziele, die erreicht worden sind… man wird auch hier für sein unmittelbares Umfeld a bissl blind…

Es gingen mir auf einmal (gerade in diesen fünf Minuten der Stille) sämtliche Sachen durch den Kopf… Ich fing an zu überlegen, was mir das Leben so alles bisher beschert hat. Ich sah auf in den Himmel und musste an den Auferstehungsgottesdienst 2021 denken - da blickte ich auch empor und sagte in Gedanken zu Gott: „Schau, da bin ich nun - ich hätte niemals gedacht, dass mich das Leben mit meinen Mädels und meiner Frau beschenkt… auf dem Jakobsweg wird einem klar - oder zumindest denkt man genauer darüber nach - was einem im Leben wichtig ist: Zeit mit den Liebsten.

Mir sind unzählige Schnecken aufgefallen, die mich immer an Entschleunigung und Zeit erinnerten.

Auf dem klassischen Camino Frances kommt man irgendwann an die „Cruz de Ferro“ - ein eisernes Kreuz, an dem die Pilger mitgebrachte Sorgen, Lasten usw. in Form von Steinen mitbringen - die einen Steine etwas größer oder viele kleine - hier kann man sich als Pilger einer Last entledigen oder einfach nur symbolisch DANKE sagen… als wir unsere Steine und das auf die Schnelle zusammengeschnürte Kreuz aufgestellt haben, war es wieder so ein typischer „Camino-Moment“.

Auf Pilger sind wir leider nicht gestoßen - dafür haben wir es genossen, sämtlichen Hinweisen der Wanderroute zu folgen und immer wieder die Jakobsmuschel zu entdecken. Wir schauten auch, ob es in den diversen Kirchen oder auf dem Weg Jakobsymbole zu entdecken waren.

Ich könnte nach diesen 12 Kilometern fast schon ein Buch schreiben - möchte mir nicht ausmalen, was dann so ein kompletter Weg bis nach Santiago für Spuren hinterlässt - körperliche wie auch seelische. Wir als Familie haben uns schon mal vorgemerkt, die nächste Etappe bis nach Heilsbronn anzutreten.

Nun verbleibe ich mit einem (spanischen) „buen camino peregrino“!

Enrique