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19.03.2023

Gott sieht es anders

Codex Egberti: Heilung des Blindgeborenen. Foto: WikiCommons

Der Prophet Samuel, inzwischen ein alter Mann mit viel Lebenserfahrung, lernt noch dazu. Im Auftrag Gottes macht er sich auf den Weg, um einen der sieben Söhne Isais zum König zu salben. Nach menschlicher Logik hat Samuel im ältesten, stattlichen Sohn schon den neuen König gefunden.
Doch Gott sieht es anders: Das wie ein modernes „Casting“ daherkommende Auftreten der sieben Söhne des Isai bleibt erfolglos. Ausgerechnet der, an den niemand gedacht hat und der die Schafe seines Vaters hütet - der junge David! - soll zum neuen König gesalbt werden.

In seinem Brief an die Epheser stellt Paulus heraus, dass wir als Getaufte zum Licht gehören. Es ist unsere Lebensaufgabe zu versuchen, in unserem Alltag Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit zu verwirklichen. Dazu gehört auch, "Werke der Finsternis" (wie Paulus sie nennt), des heimlichen Tuns und Redens aufzudecken. Wem fallen da nicht die unsäglichen Gewaltverbrechen ein, die Menschen einander antun?
Ein Trost, dass Gott sich immer wieder dem Menschen zuwendet. Sein Licht als Quelle des Lebens brauchen wir dringend!

Auch bei der Heilung des Blindgeborenen ist es so, dass Gottes Sichtweise bei Menschen auf Unverständnis stößt. Die Pharisäer distanzieren sich von Jesus, weil er Ihrer Meinung nach die Sabbatregelung nicht einhält. Doch wer das Evangelium weiterliest, wird zu der Erkenntnis geführt:
Blind ist nicht der ohne Augenlicht Geborene. Blind sind die verblendeten Menschen, die der Heilung des bis dahin vom Leben ausgeschlossenen Menschen beigewohnt haben.

Lernen auch wir heute dazu: Indem wir unsere Wahrnehmung schärfen für die eigenen „blinden Flecken“ und für Unrecht und Leid in unserer Welt! Dann kann der Satz des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain uns doch verändern: „Freundlichkeit ist eine Sprache, die Taube hören und Blinde lesen können.“

Ewald Scherr, Pfarrer i.R.