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20.11.2022

Standesgemäß leben

Foto: pixabay, in: Pfarrbriefservice.de

Während meiner Studienzeit hatte ich einen Mitstudenten, der hin und wieder meinte: „Ich lebe zwar über meine Verhältnisse, aber noch lange nicht standesgemäß“. So reden auch viele, die ihre finanziellen Verhältnisse nicht in den Griff bekommen. Ob wir über unsere Verhältnisse gelebt haben, dass erfahren wir in der Regel am Jahresschluss bei der Bilanz, wenn Einnahmen und Ausgaben verglichen werden.

Heute ist Jahresschluss: das Kirchenjahr geht zu Ende. Der Zielpunkt des Kirchenjahres ist der erhöhte Herr - der Kyrios, zu dem wir Christen immer wieder aufschauen. Der, der da hängt, wird verlacht und verspottet von führenden Männern, von Soldaten, sogar von einem Verbrecher. Statt einer goldenen Krone trägt er eine Krone aus Dornen. Ist das das Bild eines Königs, wie wir es uns vorstellen? Doch wer genau zugehört hat, erkennt in dieser Szene noch einen anderen Jesus, einen, der seine Würde bewahrt hat, trotz des Schandpfahls.

Heute kann mir neu bewusst werden: Auch ich darf werden, der ich vor Gott bin: ein königlicher Mensch. Der Schöpfer verleiht jedem Geschöpf Würde. Menschenwürde ist Königswürde! Im Ritus der katholischen Taufe feiern wir dies. Sofort nach der Taufe wird der Täufling mit dem heiligen Chrisam gesalbt, so wie Könige gesalbt werden. Der Priester spricht dabei: Du gehörst für immer Christus an, der gesalbt ist zum Priester, König und Propheten.

Vielleicht möchten wir heute mit Blick auf Christus, unseren König, Bilanz halten:
Haben wir vielleicht unter unserer Würde gelebt?
Sind wir uns der Königswürde zu wenig bewusst gewesen in unserem Leben?
Lebten wir nicht standesgemäß?

Ewald Scherr, Pfarrer i.R.