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Geistliche Hausapotheke

08.09.2020

Fromme Legenden und nüchterne Evangelien

Maria als Kind (Detail aus der Fahne des Kath. Frauen- und Müttervereins Eibach, 1930)

Gedanken zum Fest Mariä Geburt

Normalerweise feiert die Kirche den Todestag eines oder einer Heiligen, seinen bzw. ihren „Geburtstag für den Himmel“. Dass der Geburtstag eines/r Heiligen begangen wird, ist die große Ausnahme im kirchlichen Festkalender. Neben der Gottesmutter Maria – am heutigen 8. September feiern wir „Mariä Geburt“ - trifft das nur noch für zwei Männer zu: für Jesus Christus und für Johannes den Täufer.

Die Geburt Jesu und die des Täufers sind immerhin im Lukasevangelium vermerkt. Bei Maria ist es nochmal ein bisschen komplizierter: von ihrer Geburt weiß nur das apokryphe (nicht ins Neue Testament aufgenommene) „Protoevangelium des Jakobus“. In dieser sehr populären Schrift wurden Legenden über Maria zusammengestellt. Die frühen Christen hatten ein großes Bedürfnis, mehr über die Mutter Jesu zu erfahren als die spärlichen und nüchternen Informationen aus den vier Evangelien hergaben. 

Wir kennen dieses Phänomen auch aus unserer Zeit: Da erlangt jemand im Erwachsenenalter große Popularität, wird z.B. Papst oder Bundeskanzlerin - und alsbald beginnen die Recherchen zu seinem/ihrem Werdegang. Wo wurde er/sie geboren? Gab es besondere Umstände? In welchen Verhältnissen lebten die Eltern, was gibt es über sie zu erzählen, Reißerisches wie Rührendes? Oft ist es so, dass die gegenwärtige Berühmtheit der Person rückwirkend auch ihre Kindheit und sogar die vorausgehende Generation „vergoldet“…

Bei der Endredaktion des Neuen Testaments im 4. Jh. wurde entschieden: Christus steht im Mittelpunkt der Frohen Botschaft, niemand anders. Legendenhafte Schriften über seine Mutter wurden deshalb nicht aufgenommen. Ganz in diesem Sinne wird am Fest Mariä Geburt ein Text aus dem Matthäusevangelium gelesen, in dem sie nur eine Nebenrolle – wenn auch eine wichtige – spielt: sie erwartet ein Kind mit Namen Jesus, den Erlöser, den Immanuel, den „Gott mit uns“.

Was könnte uns das Fest Mariä Geburt für unseren Glauben sagen? Vielleicht dieses: dass niemand - nicht der Berühmteste unter uns! -  am Leben wäre ohne seine Mutter, ohne seinen Vater; dass wir unser Leben letztlich den Generationen vor uns verdanken.  Dass jede und jeder von uns – wie klein uns unser Beitrag auch manchmal vorkommen mag -  berufen ist, Leben weiter zu schenken. Und dass wir manchmal wie Maria staunen dürfen, was sich daraus entwickelt!

Schreiben Sie mir gern, was das heutige Fest Ihnen sagt!
Ihre Gemeindereferentin Irene Keil