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Geistliche Hausapotheke

10.04.2020

Karfreitag: Dunkel? Trostlos? Verloren? Gottverlassen? Tod?

Foto: Timo Amrehn

Gedanken zum Karfreitag

In einem ersten Reflex könnte man dem Karfreitag sehr wohl solche Eigenschaften zuschreiben, wie sie in der Überschrift genannt sind. Besonders dann, wenn wir heute den herzergreifenden Schrei Jesu am Kreuz lesen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34)

Wie viele Menschen auf der Welt mag es in der jetzigen Situation der Corona-Pandemie wohl geben, die genau diesen Satz lauter als je zuvor selbst schreien und zu zweifeln beginnen? Gott sogar anklagen, weil er so viel Leid zulässt? Oder auch einfach weil die gemeinsame Feier der Kartage und des Osterfestes nicht möglich ist?

Und was würden Sie denken, wenn ich sage: Karfreitag ist der Tag, an dem die Liebe Gottes deutlicher denn je zum Vorschein kommt! Karfreitag als die liebende Umarmung Gottes!

Gerade muss ich beim Schreiben dieses Textes schmunzeln. Die möglichen Einwände lassen meine Ohren förmlich klingen: Ja so ein Schmarrn! Was soll denn daran Liebe sein?

„Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh 15,13) Und was hat Jesus Christus nun anderes getan? Er hat sein Leben radikal aufgeopfert, sich mit Leib und Leben für uns hingegeben, damit wir das Leben haben. Er hat sich hingegeben bis zum Tod am Kreuz, für seine Freunde, für Sie und mich! Aus Liebe. „Durch Jesu Kreuz sind wir geheilt und umarmt worden, damit nichts und niemand uns von seiner erlösenden Liebe trennen kann.“ (Papst Franziskus am 27. März 2020)

Es ist also wie mit den meisten Vögeln, die zum Fliegen erschaffen wurden. An den Boden gefesselt zu sein ist für sie eine Einschränkung ihrer Fähigkeit zu fliegen, und nicht umgekehrt. Wir Menschen wurden jedoch geschaffen um geliebt zu werden. Wenn der Mensch nun lebt, als würde er nicht geliebt, ist das eine Einschränkung, nicht umgekehrt. Wenn Sie ungeliebt lebten, wäre das, als würde man einem Vogel die Flügel stutzen und ihn so seiner Flugfähigkeit berauben. Das ist das, was sich Gott für keinen von uns wünscht.

Die erschütternden Bilder und Erfahrungen der Corona-Krise sind ein seelischer Schmerz. Dieser Schmerz stutzt unsere Flügel und hält uns davon ab, zu fliegen. Und wenn diese Verzweiflung uns über längere Zeit im Griff hat, kann es geschehen, dass wir unsere Fähigkeit zu fliegen völlig vergessen. Genau da ist Jesus. Anders als bei uns, können seine Flügel niemals gestutzt werden. Denn er ist da und liebt uns, selbst wenn alles noch so ungewiss scheint.

Nutzen Sie daher den Karfreitag, sich dieser Liebe neu bewusst zu werden. Singen oder beten Sie ein Lied aus dem Gotteslob für den Herrn. Stellen Sie heute Abend eine Kerze ins Fenster, um der Dunkelheit des Alltags mit dem Licht Christi zu trotzen. Oder treten Sie einmal ganz nahe an ein Kreuz und sagen ein schlichtes, aufrichtiges „Danke“ und Sie werden spüren, wie Sie der Herr umarmt.

Haben Sie sich schon einmal von Gott verlassen gefühlt? Gab es Momente, in denen Ihre "Flugfähigkeit im Glauben" eingeschränkt war? In welchen Situationen? Oder hat Sie Gott umarmt und Sie haben seine Nähe deutlich gespürt? Ist Ihnen bewusst, von Gott ohne Vorbehalt geliebt zu sein? Ist das Kreuz in Ihrem Leben wirklich Zeichen der Hoffnung und der Liebe? Wann haben Sie dem Herrn für sein Opfer das letzte Mal ein schlichtes "Danke" gesagt? Schreiben Sie es Ihrem Pfarrer!

Dunkel? Trostlos? Verloren? Gottverlassen? Tod?  - Nein! Denn in allem und trotz allem haben wir Christen die Gewissheit: Gott ist die Liebe! Wenn alles uns verlässt, einer bleibt: Jesus Christus. Ich wünsche Ihnen Gottes Schutz und Segen, bleiben Sie behütet und gesund!

Ihr letztjähriger Pfarrorientierungspraktikant

Timo Amrehn