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Geistliche Hausapotheke

20.01.2024

Leben – über den Tag hinaus

Bild: Peter Weidemann, in: Pfarrbreifservice.de

„Der Weg ist das Ziel“ lautet eine beliebte Redewendung unserer Zeit, die dem Weisheitslehrer Konfuzius zugeschrieben wird. Darin steckt sicher viel Wahres. Manchmal setzen wir uns große Ziele und arbeiten verbissen daran, sie zu erreichen. Dabei gerät schnell aus dem Blick, wie wichtig die Erfahrungen selbst sind, die wir auf dem Weg dorthin sammeln. Total auf das Ziel fixiert, versuchen wir dieses auf Biegen und Brechen zu erreichen. Darüber vergessen wir dann schnell, dass es einen Weg der Geduld und kontinuierlichen Arbeit braucht, um überhaupt ein Ziel zu erreichen.

Problematisch wird der Satz, wenn er absolut genommen wird und im schlimmsten Falle der Weg das Ziel ersetzt. Eine Gefahr, die durchaus gegeben ist. Beliebte Slogans wie „lebe den Moment“ spiegeln ein Lebensgefühl vieler Zeitgenossen wider, das oft ohne klares Ziel vor Augen auskommt oder Ziele für beliebig austauschbar hält. Den Satz des heiligen Paulus aus dem ersten Korintherbrief (1 Kor 7,29), „die Zeit ist kurz“, würden viele heute sofort unterschreiben; und ihn gedanklich folgendermaßen zu Ende bringen: also nehmen wir jetzt mit, was geht, denn morgen sind wir vielleicht schon tot.

Allerdings meint Paulus mit der Rede von der drängenden Zeit gerade das Gegenteil. Ihm steht klar das Ziel eines Menschen vor Augen, der an Jesus Christus glaubt. Wenn der wiederkommende Christus und seine Vollendung der ganzen Schöpfung – in der ich auch selbst einmal vollendet werde - mein Ziel ist, kann das nicht ohne Folgen für meinen Lebensstil bleiben; egal, ob ich, wie zu Zeiten des heiligen Paulus, an eine Naherwartung Christi glaube oder dieses Ziel in ferner Zukunft vermute. Alle Beziehungen und jeder Umgang mit den Gütern dieser Welt bekommen dann ihren Sinn und ihr Gewicht von diesem Ziel her.

Nichts in dieser Welt sollte ich als Christ absolut setzen – nicht einmal den mir liebsten Menschen. „Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine“, schreibt Paulus. Das bedeutet sicher nicht, der andere soll für mich ‚gestorben‘ sein. Aber vergöttlichen soll ich ihn eben auch nicht, sondern erkennen, dass wir uns gegenseitig geschenkt sind, als Hilfe unterwegs zum endgültigen Ziel.

Christlich leben könnte bedeuten, so mit anderen und den Gütern der Welt umgehen, dass darin die Hoffnung auf Vollendung sichtbar wird. Unser Mühen um Gerechtigkeit und Liebe, unsere Gelassenheit und auch unsere Bereitschaft zum Ertragen und Mitleiden könnten solche lebendige Hinweise sein.

Pfarrer Clemens Mennicken