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Geistliche Hausapotheke

01.05.2022

Maria als Programm

Gotische Madonna in Maria am Hauch. Foto: M. Berning

Eine Pfarrei, die im Sinne von Christus wirken will, tut gut daran, auch seine Mutter im Blick zu haben. Das, so vermute ich, war das große Anliegen der Pfarrer Josef Mayer und Franz Schmid, die am Bau dieser Kirche  und am Aufbau der Pfarrei entscheidend beteiligt waren. Sie wählten als Patronin Maria, die Mutter des Herrn. „Maria als Programm“ mit ihrem Glaubensweg sollte die hier wohnenden Katholiken und die vielen Neuankommenden im Christsein stärken. Statt dem Namen „Mutterschaft Mariens“ für Kirche und Pfarrei, der ursprünglich gedacht war, entschied man sich für „Maria am Hauch“. Das Attribut „am Hauch“ bezieht sich auf die Gegend, die als „Hauch“ bezeichnet wird, in der die Kirche erbaut wurde, und in der sich der größere Teil der Pfarrei befindet.

Maria als Programm für die Sendung einer Pfarrei? Eine gute Idee, finde ich. Schließlich dient Maria als Urbild der Kirche. Sie lebte, wie Gott es sich dachte. Sie suchte oft im Gebet Zugang zu ihm und war erfüllt von einem großen Vertrauen auf ihn. Das machte sie offen für den Plan Gottes mit ihr, der Welt den Erlöser zu bringen. Sie bedachte stets die Worte Jesu in ihrem Herzen, auch wenn sie nicht immer einfach zu verstehen waren, folgte ihm nach auf seinem Weg bis hin unter das Kreuz. Auch da blieb sie standhaft in ihrem Glauben und durfte dann mit den Aposteln Zeugin seiner Auferstehung und seiner Geistsendung werden.

Maria als Programm für die Aufgaben einer Pfarrei ist eine gute Wahl, nicht nur, weil sie Jesus unter ihrem Herzen trug, voll und mit ganzer Hingabe für ihn da war, sondern auch, weil sie mit ihrem hörenden Herz ganz im Sinne seiner Aussage handelte: „Selig sind die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Christus in sich wohnen lassen, ihn aus ganzem Herzen zu lieben, mit ganzer Seele und Kraft für ihn da  zu  sein, immer ein hörendes Herz für sein Wort zu haben und aus ihm zu leben – gehört das nicht zum wesentlichen Auftrag einer christlichen Pfarrei? Indem sie unablässig die Begegnung mit Gott sucht nach dem Beispiel Marias, sich ihm öffnet für seine Pläne mit ihr, ihn in ihrer Mitte wohnen und wirken lässt, macht sie sich zugleich offen für die Menschen in ihren Bedürfnissen und ihrem Suchen nach Heil. So wird eine Pfarrei auch dem Auftrag gerecht, den die Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzils „Kirche in der Welt von heute“ in der Präambel folgendermaßen beschreibt: „ Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Schwachen aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Die Fragen der Menschen wahrnehmen, ihrer Sorgen sich annehmen, aus Nöten heraushelfen, ihnen Orientierung geben in ihrem Suchen nach Sinn, das hat Maria vorgelebt. Sie steht ihrer Verwandten Elisabeth bei in der Zeit ihrer Niederkunft oder dem Brautpaar bei der Hochzeit zu Kana, dem der Wein ausging. Sie zeigt, wie sich schlimme Erfahrungen aushalten lassen, indem sie an Gott und Jesus festhält ohne zunächst die Wege zu verstehen, die sie geführt wird. Und Maria dient einer Pfarrei auch als eine wertvolle Beraterin mit ihrem von der Hochzeit zu Kana überlieferten Wort: „Was er euch sagt, das tut!“ Es ist Marias größtes Anliegen, die Menschen auf Christus hinzuweisen und sie dafür zu gewinnen, die Worte Jesu sich zu Herzen zu nehmen und sie zu befolgen.

Als ich Ende 1971 bis Ostern 1972 in Maria am Hauch als Pastoralpraktikant und Diakon die Pfarrei kennenlernte, habe ich die marianische Ausrichtung der Pfarrei als segensreich wahrgenommen. Und dann später als Pfarrer von 1983- 1998. Die Offenheit der Pfarrangehörigen für Gott, die sich zeigte in dem zahlreichen Besuch der Andachten und der Gottesdienste, in der erfreulichen Teilnahme bei Wallfahrten und anderen religiösen Aktionen, in den unterschiedlichen Gebetsgruppen, in der bewundernswerten Spendenfreudigkeit für die Ausschmückung des Gotteshauses mit dem Kreuzweg, mit den Rosenkranzgeheimnissen oder der spätgotischen Madonna, mit der Anschaffung  der Kirchenglocken. Bis zur Einweihung kam immer das nötige Geld zusammen.

Die aus der Offenheit für Gott wachsende Offenheit für die Mitmenschen durfte ich ebenfalls auf erfreuliche Weise erfahren. Ich erlebte einsatzfreudige haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihre Talente einbrachten, die bereit waren im Team zu arbeiten und sich den Herausforderungen zu stellen, die auf die Pfarrei zukamen im Kinder-, Jugend-, Erwachsenen- oder Seniorenbereich. Was für ein Segen waren die Schönstätter Marienschwestern mit ihrem Glaubenszeugnis in Wort und Tat. Den Zusammenhalt, das Miteinander, die Beheimatung neu Zugezogener förderten gemeinsame Projekte, Aktionen, Feste, Feiern und Fahrten. Auf vielfache Weise wurde versucht, die in den 80er und 90er Jahren in großer Zahl kommenden Spätaussiedler in das Gemeindeleben zu integrieren und ihnen eine religiöse und menschliche neue Heimat zu bieten. Persönlich war ich sehr dankbar für meine Zeit in Maria am Hauch, weil mir in meinem Dienst für Gott und die Menschen, in meinem Bemühen, den Menschen leben zu helfen, selbst viel geschenkt wurde an Angenommensein und Motivation in meinem priesterlichen Dienst.

Alois Ehrl, Domkapitular i. R.