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Geistliche Hausapotheke

10.09.2023

Mitverantwortlich sein für den Bruder, für die Schwester

Foto: Geralt, in: Pfarrbriefservice.de

"Schwestern und Brüder im Glauben" - diese Anrede erscheint uns auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewohnt oder gar veraltet - tatsächlich drückt sich in darin aber etwas von dem aus, was Christen ausmacht: Mitglied einer weltweiten Glaubens-, Gebets- und Solidargemeinschaft zu sein!

Die komplexen Anforderungen unserer Zeit fordern jeden Einzelnen von uns jeden Tag - und ja: jeder hat als Aufgabe im Leben, seine je eigene Berufung und Beziehung in und mit Gott zu finden. „Laufen“ wir aber alleine, verlassen wir uns nur auf unsere eigenen Gedanken oder Entscheidungen, so kann es leicht passieren, dass wir gefangen werden in unsere eigene Gedankenwelt und damit Gottes Werteordnungen aus den Augen verlieren. Niemand ist vor solchen „Fehltritten“ gefeit, denn niemand ist perfekt und fehlerfrei. Auch unsere eigene Lebenserfahrung steht uns manches Mal im Weg, eine objektive Entscheidung zu treffen - beeinflusst von allen Enttäuschungen, Vor-Urteilen und Festlegungen, die wir im Laufe unseres Lebens getroffen haben.

Deshalb ist es wichtig, sich als Christ getragen zu wissen von Menschen, mit denen ich mich im Glauben verbunden weiß, die - wenn ich mich ernsthaft nach dem Willen Gottes ausrichten will - Ratgeber oder Wegbereiter für meinen eigenen Glauben sein können - und sollen. Denn die Lesungen des heutigen Sonntags rufen uns dazu auf, nicht nur für uns, sondern auch für meine Mitchristen Verantwortung zu übernehmen - weil es ein Gebot der Liebe zu meinem Nächsten ist, ihn zu ermahnen und auf Verfehlungen hinzuweisen, wenn ich sie selbst als Verfehlungen gegen Gottes Gebote erkannt haben.

Zwei Dinge sind mir dabei wichtig: Erstens: es bedarf beim Empfangenden einer wohlwollenden Grundhaltung (das ist das Gegenteil einer oft schon äußerlich sichtbaren Abwehrhaltung) und beim Sprecher selbst einen gewissen Mut. Denn wer Kritik äußert, kann nie sicher sein, nicht selbst Kritik ausgesetzt zu werden. Zweitens: Die Verantwortung für meinen Mitchristen endet mit der Zurechtweisung unter vier Augen, unter Zeugen, in der Gemeinde (vgl. Mt 18, 15-17). Auch als Christ kann ich niemandem zu seinem Glück oder vielmehr Seelenheil zwingen - jeder ist letztlich für seinen Weg vor Gott verantwortlich!

Die drei Lesungen weisen uns jedoch darauf hin, dass ich mich als Christ mit-verantwortlich mache für das Scheitern meines Bruders oder meiner Schwester im Glauben, wenn ich wegschaue und ihn / sie ihrem „Schicksal“ überlasse.

Ich wünsche mir in unserer Gemeinschaft untereinander ein „Mehr“ an aufmerksamem und wohlwollendem gegenseitigen Tragen und Er-Tragen unserer gemeinsamen Sendung, geprägt vom liebevollen Blick zueinander und auf das Gute meines Gegenübers. Dies entspräche dem Liebesgebot Gottes, denn „wo zwei oder drei in meinem Namen versam-melt sind (im gegenseitigen Bemühen), da bin ich (Gott) mitten unter ihnen“ (vgl. Mt 18, 20).  

Ihr Diakon Michael Sporrer