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Geistliche Hausapotheke

23.05.2020

Wer hat schon einen Herrgottswinkel?

Foto Wiechers

Foto Wiechers

Spirituelle Orte in der eigenen Wohnung

Vor ein paar Jahren besuchte unser Bischof Gregor Maria den Kindergarten meiner Frau. Er ging von Raum zu Raum und lächelte immer, wenn er den Gruppenaltar entdeckte. Meist fand sich da ein schlichtes oder selbst gebasteltes Kreuz, eine Jesus-Kerze mit Motiven aus biblischen Geschichten, eine Kinderbibel und diverser Schmuck, zum Beispiel Glassteine auf einem schönen Tuch.

Etwas Ähnliches sehe ich immer wieder, wenn ich Menschen zu Trauergesprächen oder zur Hauskommunion daheim besuche - mal ganz offensichtlich und mal versteckt: einen Herrgottswinkel. Nicht immer ist er so klassisch im Stubeneck wie bei meiner Verwandtschaft auf den Westallgäuer Bauernhöfen oder in den dörflichen Oberpfälzer Häusern, aber nichtsdestotrotz beeindruckend und präsent in ganz unterschiedlicher Weise.

Manchmal ist dieser "Hausaltar" fast überwältigend gestaltet wie eine Lourdesgrotte mit Madonna, großer Jesusfigur und anderen Heiligen, manchmal als Wand mit Kreuz, Rosenkranz und Heiligenbildern, manchmal als Ikonenwand oder als Fach in der gläsernen Wohnzimmervitrine. Nur selten sehe ich eine Gebetsecke und bei Kindern einen Zimmeraltar.

Gerade in der Situation der Trauer aber kann dieser Herrrgottswinkel, der Hausaltar, die Wand mit dem Kreuz oder die Gebetsecke ganz bedeutsam werden: ein Ort, wo die Menschen Halt finden in ihrem Suchen und Fragen.

Mit manchen Andachtsgegenständen verbindet sich eine Lebens- und Glaubensgeschichte. Da ist das Gebetsbildchen, das der Verstorbene bei sich hatte im Krieg und in der Gefangenschaft. Da sind Zeichen oder Spruchkarten, die die Angehörigen ins Nachdenken bringen, Trost spenden und nun einen Halt im Glauben geben. Da entsteht der Wunsch nach einem kirchlichen Begräbnis, weil auf dem Nachttisch des Verstorbenen zur Überraschung aller eine Weihwasserflasche in Form einer Lourdes-Madonna stand, ein Kreuz lag und ein stark benutzter Rosenkranz.

So kann ich Sie nur ermutigen, für sich zu schauen: Wo könnten Sie in Ihrere Wohnung Gott einen Platz bereiten? Wo könnten Sie einen Hausaltar oder Herrgottswinkel einrichten, eine Ikonenwand oder eine Gebetsecke? Oder haben Sie schon so einen guten Ort und haben ihn in den letzten Monaten vielleicht neu schätzen gelernt?

Erzählen Sie mir doch davon oder schicken Sie mir ein Foto für eine Ausstellung, deren Anfang mit zwei Bildern von mir gemacht ist:  uwiechers(at)bistum-eichstaett(dot)de

Ihr Diakon Ulrich Wiechers