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Geistliche Hausapotheke

17.09.2023

Vergeben: einen Neuanfang wagen

Foto: Johannes Simon, in: Pfarrbriefservice.de

Oft beten wir es – manchmal alleine, auch im Kreis der Familie oder mit anderen in der Gemeinschaft eines Gottesdienstes. In jeder heiligen Messe, in einer Andacht, bei sakramentalen Handlungen sind wir eingeladen, gemeinsam dieses Gebet zu sprechen, das der Herr uns gelehrt hat. Aber haben Sie es auch mal ganz bewusst gesprochen oder konkret darüber nachgedacht, wenn jemand Ihnen krumm gekommen ist und sich später entschuldigt hat? „... und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern?“ Überlegen wir für uns beim nächsten Beten, wen wir hier einschließen möchten und unsere Bereitschaft zur Vergebung schenken können.

Vergeben und Entschuldigen sind nicht dassselbe. Im eigentlichen Wortsinn kann nur der jeweils andere entschuldigen. Ich kann mich nicht selbst entschuldigen, die Schuld von mir nehmen. Aus gläubiger Perspektive bleibt auch die Frage, ob Schuld überhaupt von Menschen untereinander wegzunehmen und gleichsam wie ein Fleck zu „entfernen“ ist. Schuld – geradezu im existentiellen Sinn – kann nur Gott wegnehmen. Vergeben hat eine andere Dimension: Es ist die Fähigkeit, etwas zu geben, zu schenken, nicht etwas zu entfernen. Wenn Christen einander und anderen vergeben, geben Sie etwas von sich her: Sie schenken dem anderen Vertrauen und glauben an einen Neuanfang.

Gott selbst hat immer wieder einen Neuanfang mit den Menschen gewagt - so bezeugen es die Lesungen dieses Sonntags. Wer sich in dieser Logik bewegen will, muss diese Neuanfänge auch immer wieder selbst zulassen. Hierzu braucht man ein offenes und weites Herz. Petrus hat diese Öffnung erst Schritt für Schritt lernen müssen. Das gilt aber nicht nur für ihn oder die Apostel, sondern für jeden Menschen.

Wenn wir das Vaterunser beten, ist das mehr als ein Lippenbekenntnis. Es ist eine Aufforderung, sein Herz weiten zu lassen – für den Nächsten, gerade auch dann, wenn Schuld zwischen uns steht. Es ist auch eine Aufforderung, sich selbst vergeben zu lernen. Denn mit einem Satz wie „Das kann ich mir nicht verzeihen!“ stellen wir uns wieder außerhalb der Ordnung Gottes. Und dabei gilt hier wie dort die andere Bitte des Vaterunser: „Dein Wille, Vater, geschehe!“ Auch der Satz „Unser tägliches Brot gib uns heute“ kann in diesem Sinn gedeutet werden: Gib uns die tägliche Bereitschaft zu vergeben. Denn letztlich leben wir als Menschen auch täglich vom Verzeihen, Vergeben und Erbarmen.

Ewald Scherr, Pfarrer i.R.