Zum Inhalt springen

Geistliche Hausapotheke

12.02.2023

Von Gottes Freude, bei den Menschen zu wohnen

Foto: M. Manigatterer, in: Pfarrbriefservice.de

Es gibt manchmal Sätze in der Liturgie unserer Kirche, die leuchten aus der Menge des Gesagten heraus wie Goldkörnchen. Ein solcher Satz begegnet mir, begegnet uns an diesem Sonntag im Tagesgebet zu Beginn der Eucharistiefeier:

"Gott, du liebst deine Geschöpfe, und es ist deine Freude, bei den Menschen zu wohnen."

Was für eine schöne Vorstellung: Gott als Liebhaber seiner Geschöpfe. Gott als liebenswürdiger Hausgenosse, als zugewandter Mitbewohner! - Einem sehr geschätzten Kollegen verdanke ich die Anregung, mir das möglichst konkret auszumalen. Also: Gott sitzt mit uns am Frühstückstisch. Anders als die Zeitung, verströmt er Zuversicht: Wird schon werden heute, nur Mut! - Gott sitzt mit mir im Büro. Im Blick auf ihn wäge ich ab, wenn es um Entscheidungen geht. Und er lässt mich nochmal sorgfältig auf meine Texte schauen: Sind sie einladend? Lassen sie genug Freiheit? - Gott sitzt mit in meiner Gesprächsecke, wenn jemand zur Geistlichen Begleitung kommt, und immer wieder scheint er auf im Erzählen. - Ich stelle mir vor, dass Gott mit besonderer Freude unseren Weg-Gottesdiensten "beiwohnt", denn unsere Kommunionkinder sind herrlich in ihrer Wissbegier und ihrer intuitiven Gottes-Erkenntnis! - Und unermüdlich wie er ist, schiebt sich Gott abends noch einen Stuhl in die Runde, wenn wir Kirchortsrat-Sitzung haben. Er hört aufmerksam zu, wenn wir über die Zukunft seiner Kirche hier vor Ort nachdenken, und lässt gute Ideen aufkeimen. 

"Gott, du liebst deine Geschöpfe, und es ist deine Freude, bei den Menschen zu wohnen."

"Gottes 'Anwesen' - das sind wir!" pflegte unser Professor im Alten Testament und er meinte das sehr konkret. Gott will nicht ausgesperrt sein aus dem Leben seiner geliebten Geschöpfe; er will durch seine "Einwohnung" (Martin Buber), seine sanfte Gegenwart, unser Leben bereichern und verändern. Wir brauchen nichts zu tun, außer ihm Raum zu geben, wie es im Tagesgebet weiter heißt: "Gib uns ein neues und reines Herz, das bereit ist, dich aufzunehmen."

Wenn ich es hätte formulieren dürfen, hätte ich vielleicht geschrieben: "Gib uns ein aufmerksames Herz" oder "Gib uns ein sehnsüchtiges Herz". Ich glaube nicht, dass ein reines Herz die Vorbedingung für Gottes Einwohnung ist. Gott ist nicht wählerisch in der Wahl seiner Wohnstatt, das sehen wir an Jesus: Er besucht Zöllner in ihrem Haus, lässt sich von Frauen mit zweifelhaftem Ruf ins Gespräch ziehen, setzt sich zu stadtbekannten Sündern an den Tisch. Deren Sehnsucht hat er gespürt. Und die ihn aufnehmen, ihm Raum geben, verändern sich, werden getrösteter, heiler, entschiedener, mitmenschlicher. Gottes Freude springt über, sein Friede teilt sich spürbar mit - bis heute.

"Gott, du liebst deine Geschöpfe, und es ist deine Freude, bei den Menschen zu wohnen."

So ein Satz, zu Beginn der Sonntagsmesse gehört, nährt mich den ganzen Tag und darüber hinaus.

Ihre Gemeindereferentin Irene Keil